Ein Fall aus Frankreich und genetische Untersuchungen legen nahe, dass die Verbreitung des Virus früher als bisher vermutet begonnen hat.
Es ist ein paar Tage her, dass bei Amirouche Hammar das Telefon klingelte. Am Telefon war Yves Cohen, Chef der Intensivstation des Avicenne-Spitals in Bobigny bei Paris. Dort hatte Hammar, 53 Jahre alt, am 27. Dezember 2019 Hilfe gesucht, nachdem er in der Nacht zuvor Blut gehustet hatte und sein Fieber auf mehr als 40 Grad gestiegen war, wie er der Zeitung «Le Parisien» erzählte.
Schon eine Woche zuvor hatte sich der Fischverkäufer krank gefühlt. «Ich dachte erst, es sei eine saisonale Grippe», erinnert er sich. Auch im Spital wurde er zunächst als Routinefall behandelt. Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie aber nahmen sich die Ärzte noch einmal alle Fälle von ungeklärten schweren Lungenerkrankungen vom Dezember und Januar vor – und sie wurden fündig. Ein Test auf Grippeviren war bei Hammar ergebnislos geblieben.
Doch noch vorhandene und gelagerte Proben von ihm erwiesen sich bei Tests auf Sars-CoV-2 als positiv. Professor Yves Cohen habe ihm mitgeteilt, dass er nach doppelter Verifikation der neue «Patient Nummer null» in Frankreich sei. Der Fall Hammar wirft eine Reihe von Fragen auf, etwa, wann das Infektionsgeschehen begann und wo es seinen Ausgangspunkt hat.
Drei Viren-Typen und schon früh in China nachgewiesen
Ein Team aus Genetikern aus England und Deutschland hat inzwischen durch die Analyse von Veränderungen im Erbgut des Erregers versucht, den Ursprung und die Verbreitung des neuartigen Coronavirus nachzuvollziehen. In einer phylogenetischen Netzwerkanalyse von 160 vollständigen menschlichen Sars-CoV-2-Genomen, die vom Beginn des Ausbruchs Ende 2019 bis März 2020 in einer international zugänglichen Datenbank dokumentiert sind, fanden die Forscher drei verschiedene Stränge des Virus, die sie als A, B und C bezeichnet haben.
Der Typ A ist dabei gemäss Vergleichen mit dem eng verwandten Fledermaus-Coronavirus die Urversion des menschlichen Coronavirus. Alle anderen Typen sind erst später daraus entstanden, was sich an der Reihenfolge der Veränderungen des Erbgutes ablesen lässt. In Wuhan allerdings, wo die Epidemie nach der offiziellen Version der chinesischen Regierung ihren Ausgangspunkt hatte, ist der Virustyp B vorherrschend, nicht, wie eigentlich zu vermuten wäre, der ursprüngliche Virustyp A.
«Alle drei Typen des Virus sind in frühen Fällen in China nachgewiesen», sagt Peter Forster, der dem Forscherteam angehört. Er sieht keinen Grund, zu zweifeln, dass die Epidemie dort ihren Anfang genommen hat. «Wuhan ist aber nicht der einzige Kandidat für den Beginn des Ausbruchsgeschehens.» In Wuhan sei der Virustyp B dominant, der sich aus dem Typ A durch Mutationen entwickelt hat. «Der Typ A jedoch ist auch in anderen Regionen in China zu einem frühen Zeitpunkt des Ausbruchsgeschehens aufgetreten, etwa in Yunnan und Guangdong.»
Ausbruch zwischen 13. September und 7. Dezember
Sowohl der Fall Hammar als auch die genetischen Forschungen legen nahe, dass das Infektionsgeschehen früher als bisher vermutet begonnen haben muss. Amirouche Hammar hatte bereits am 20. Dezember Symptome, dazu kommt noch die Inkubationszeit. Er war seit August 2019 nicht gereist, muss sich also in Frankreich angesteckt haben. China meldete am 31. Dezember die ersten Fälle an die WHO.
Doch ist bekannt, dass es dort schon am 1. Dezember einen bestätigten Fall gegeben hat, möglicherweise bereits Mitte November einen anderen. Das Team um Peter Forster hat aus Daten von 1000 Genomen errechnet, dass der Ausbruch mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent zwischen dem 13. September und dem 7. Dezember 2019 stattgefunden hat.
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